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Die Frage nach der klimafitten Mobilität


Foto „Ladestation resized“: Verfügt eine Immobilie über eine E-Aufladestation, ist sie im Normalfall mehr als eine vergleichbare Liegenschaft ohne eine besagte Station wert.  Credit: Unsplash

Wie alternative Mobilitätskonzepte den Wert von Immobilien in Österreich positiv beeinflussen


Im Mediengeschäft gilt zwar die „Only bad news are good news“-Regel, doch gelegentlich taugen auch positive Nachrichten für Schlagzeilen. So geschehen am 17. August 2023, als das Klimaschutzministerium verlautbarte, dass die Treibhausgas-Emissionen (THG) gesunken sind – trotz steigendem Bruttoinlandsprodukt. Jubel durchzog die Alpenrepublik. Konkret wurden 2022 insgesamt rund 72,6 Millionen Tonnen Treibhausgase ausgestoßen. Das entspricht dem niedrigsten Wert seit 1990.

Mit 20,6 Millionen Tonnen, also rund 28 Prozent des Gesamtvolumens, ist der Sektor Verkehr aber immer noch der zweitgrößte Emittent von Treibhausgasen in Österreich; hinter dem Sektor Energie und Industrie. Jedoch sanken im Vergleich zu 2021 die Verkehrsausstöße um 4,5 Prozent. Sie befinden somit auf dem Niveau des ersten Pandemiejahres 2020. Der Rückgang ist insbesondere auf die höheren Treibstoffpreise in den Sommermonaten 2022 zurückzuführen. Nicht zuletzt spielen auch die Verbesserung der Technologie und der zunehmende Anteil von Elektromobilität im Individualverkehr eine Rolle. Laut dem Klimaschutzministerium fielen im Vorjahr hierzulande 16 Prozent der Neuzulassungen auf Elektroautos. Alternative Mobilität ist im wahrsten Sinn des Wortes im Kommen.


Verweise auf das ESG-Rating
Selbstredend griff die heimische Immobilienbranche das Thema längst auf. Doch war es bis vor wenigen Jahren noch die Stellplatzpflicht, die nachhaltige Mobilitätskonzepte bei Projektentwicklungen reüssieren ließ, ist es heute das ESG-Rating. Am Mehrwert, den solche Konzepte in Form von E-Mobilität, Fahrgemeinschaften und Shared Mobility bieten, hat sich indes nichts geändert. Neben Platz- und Kostenersparnis verringern sie die verkehrsbedingte Feinstaub- sowie Schadstoffbelastung und werten zudem das Image eines Immobilienprojekts erheblich auf. Zugleich ist das gesellschaftliche Bewusstsein im raschen Wandel und Klimaneutralität sowie Dekarbonisierung wird heute weit mehr Bedeutung beigemessen.

Die Nachfrage nach entsprechenden Mobilitätsangeboten steigt in Folge kontinuierlich – gleichsam von Unternehmen wie von Privatpersonen, – wodurch Liegenschaften, die solche Angebote offerieren, deutlich an Wert zulegen. Messbar ist das anhand der erwähnten ESG-Ratings, wie sie auch von der EU im Sinne der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) verwendet werden. Das ESG-Rating – konkret das „E“, das für „environmental“ steht – macht Klimaverträglichkeit zu einem der Grundpfeiler für die Bewertung von Bauobjekten. In dieser Hinsicht sind nachhaltige Mobilitätskonzepte für Bauherren und Investoren in vieler Hinsicht attraktiv. Sie reduzieren den CO2-Fußabdruck eines Projekts – und zwar gut wahrnehmbar sowie in einer selbst für Laien verständlichen Form. Neben dem Immobilienbewerter erkennt auch der potentielle Mieter auf einen Blick, was ihn erwartet.


Klar abgesteckt, einheitlich messbar
Entscheidenden Anteil an der gestiegenen Nachfrage hat der European Green Deal, dessen Maßnahmen – wie etwa die SFDR – eine standardisierte Grundlage für ESG-Ratings schufen. So sind Klimaschutzkriterien im Immobilienbereich nicht länger Ermessenssache, sondern klar abgesteckt und einheitlich messbar. Daher gilt im Normalfall: Verfügt eine Immobilie über eine Aufladestation oder eine Station zur gemeinsamen Nutzung von Sharing E-Bikes, ist sie mehr wert als ein vergleichbares Objekt ohne diese Annehmlichkeiten.

Starken Rückenwind erhalten nachhaltige Mobilitätskonzepte im Immobiliensektor weiterhin durch kommunale Bemühungen, Wohnraum und Lebensqualität durch die Minimierung des Verkehrs und der damit einhergehenden Schadstoffbelastung aufzuwerten. So sieht etwa der „Mobilitätsmasterplan 2030 für Österreich“ der Bundesregierung die „Steigerung der Attraktivität von energie- und ressourceneffizienten Mobilitäts- und Transportalternativen sowie integrierte Mobilitätsangebote für unterschiedliche Lebenskontexte (Arbeiten, Wohnen, Tourismus etc.)“ vor.


E-Bikes für den urbanen Raum
In Wien werden bereits in einigen Wohnhausanlagen E-Bikes zum Verleih angeboten. Es habe sich „bewährt, mit einer geringen Anzahl – etwa fünf Räder pro 300 Wohneinheiten an einem fixen Standort im Gebäude – zu starten und dies bei guter Auslastung zu erweitern“, heißt es von der Stadtverwaltung. Tendenziell werden Baugenehmigungen bevorzugt erteilt, wenn überzeugende, bereits mit dem Bauantrag einzureichende Mobilitätskonzepte vorliegen. Nachhaltige Mobilität verankert sich somit auch auf lokaler Ebene im Immobiliensektor immer stärker. Als prädestiniert für diese Art der Nutzung gelten E-Bikes. Mit ihnen lassen sich Wegstrecken im urbanen Raum gut bewältigen. Laut dem Verkehrsclub Österreich sind vier von zehn Autofahrten kürzer als fünf Kilometer. Bei solchen Distanzen ist das E-Bike ein optimales Gefährt.

Folglich nehmen immer mehr Immobilien mit nachhaltigen Mobilitätskonzepten Gestalt an. Beispielsweise das Wohnbauprojekt „Schlosswiese“ der NOE Immobilien Development GmbH (NID) unmittelbar neben dem Schloss Judenau im niederösterreichischen Bezirk Tulln. Aufgeteilt auf acht Gebäude entstehen 110 Wohnungen mit Größen von 54 und 99 Quadratmetern, zehn reihenhausartige Maisonettwohnungen mit je etwa 110 Quadratmetern sowie ein Geschäftslokal. Gebaut wird in zwei Phasen. Die Fertigstellung soll 2025 erfolgen. Das alternative Mobilitätskonzept von „Schlosswiese“ bietet unter anderem die Möglichkeit der Nutzung von anmietbaren Elektro-Carsharing-Pkws, 250 Fahrrad-Abstellplätze sowie ein elektronisches „Schwarzes Brett“ mit Echtzeit-Infos über öffentliche Verkehrsmittel in der Gemeinde.


Noch zwei Beispiele
Ein weiteres Beispiel für ein Projekt mit einem alternativen Mobilitätskonzept bildet die 49 Wohnungen zählende Anlage in Wien-Simmering, deren Dachgleiche Invester United Benefits im vergangenen Februar feierte. Über neunzig Fahrradstellplätzen, teilweise mit E-Ladestationen, stehen nur 26 Parkplätze für Autos gegenüber. Zwei sind bereits für E-Mobilität ausgestattet. Die verbleibenden 24 Stellplätze können sukzessive nachgerüstet werden. Außerdem befindet sich die Wohnanlage in unmittelbarer Nähe des öffentlichen Nahverkehrs, der eine klimaschonende Fortbewegung ermöglicht. So lässt sich die Wiener City innerhalb von nur einer Viertelstunde erreichen. Ende 2023 soll der Neubau fertiggestellt sein, sodass die ersten Bewohner vor Weihnachten einziehen können.

In das siebenstöckige Bürogebäude „Lendmark“ am Lendkai in Graz können die Business-Mieter schon dieser Tage einziehen. Im Erdgeschoß befinden sich Autoparkplätze mit E-Ladestationen sowie gesicherte Fahrradabstellplätze. Es steht ein Pool an Fahrrädern sowie ein Elektroauto zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung. „Somit ermöglichen wir bei der Mobilität der Mieterinnen und Mieter höchste Nachhaltigkeit, da sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen und dennoch auf die Flexibilität des Individualverkehrs abstellen können“, betonte Birgit Jandl, Geschäftsführerin der Lendmark GmbH.




       
Fazit

War das Verhältnis von Klimabewusstsein und Profit bisher von Kompromissen geprägt, liegen beide Ziele heute oft kongruent zueinander. Maßnahmen für unternehmerische Sozialverantwortung – Stichwort: ESG – werden von öffentlicher Seite verstärkt sowohl gefördert als auch gefordert. Damit nicht genug, bestimmen sie in immer größerem Ausmaß das Konsumverhalten der Bevölkerung, von Lebensmitteln über Kleidung bis hin zu Urlaubsreisen. Der Immobiliensektor bildet dabei keine Ausnahme, denn „zukunftsfähige“ Objekte sind gefragt und steigen im Wert. Ein wichtiger Baustein nachhaltiger Immobilien sind integrierte, nachhaltige Mobilitätskonzepte.



Zur Autorin

Claudia Aigner ist Chefredakteurin der „Österreichischen Immobilien Zeitung“ (OIZ). Seit 1998 ist die gebürtige Oberösterreicherin im Fachjournalismus tätig; konkret für Magazine im Bereich Werbung, Tourismus, Telekommunikation sowie Industrie. Nach einem „Abstecher“, der sie in die PR führte, bereitet sie seit elf Jahren Immobilienthemen – quer durch alle Assetklassen – redaktionell auf.