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Die Haftung von Sachverständigen


Foto „Keller klein“: Dass er – wenn auch aus nachvollziehbaren Gründen – bei seinem Gutachten ein falsches Kellerabteil angeführt hatte, machte einen Immobiliensachverständigen schadensersatzpflichtig.  Credit: unsplash

In der heutigen Rechtslandschaft sind Sachverständige einer steigenden Anzahl von Haftungsansprüchen ausgesetzt. Ein objektiv unrichtiges Gutachten kann erhebliche finanzielle und berufliche Konsequenzen nach sich ziehen. 


Ein großvolumiges Haus aus den 1960er Jahren mit zwei Stiegen. Ein Immobiliensachverständiger sollte im Auftrag eines Notars im Zuge einer Verlassenschaft die Wohnung Top 7 bewerten. Dabei begutachtet er auch das dazugehörige Kellerabteil. Es findet sich ein Käufer. Es verstreicht wenig Zeit und der Sachverständige erhält ein Schreiben mit einer hohen, dem Drittel des Wohnungswerts entsprechenden Schadenersatzforderung. Was war passiert? Er hatte – wenn auch aus nachvollziehbaren Gründen – das falsche Kellerabteil angeführt. Da es sich beim neuen Besitzer um einen passionierten Hobby-Fermentierer handelte, war das für diesen kaufentscheidend gewesen. Sein faktisches Kellerabteil erfüllte seine Ansprüche nicht. Das Gericht entschied, dass sich der Sachverständige sorgfältiger erkundigen müssen hätte. Er musste einen wesentlichen Teil der Schadenersatzsumme stemmen.

Was bildet die rechtliche Basis für dieses Gerichtsurteil? Die Haftung von Sachverständigen jeglichen Metiers regelt sich in den §§ 1295 Abs 1 iVm 1299 und 1300 ABGB. Mit dem anno 1812 in Kraft getretenen Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch kommen hier alte Paragraphen zum Tragen. Ihnen zufolge gelten bei Sachverständigen, weil sie die Kenntnisse eines Experten in ihrem jeweiligen Bereich vertreten, strenge Sorgfaltspflichten.


§ 1299 ABGB
Konkret normiert der § 1299 ABGB, dass „(…) wer sich zu einem Amte, zu einer Kunst, zu einem Gewerbe oder Handwerk öffentlich bekennt, oder wer ohne Not freiwillig ein Geschäft übernimmt, dessen Ausführung eigene Kunstkenntnisse oder einen nicht gewöhnlichen Fleiß erfordert, gibt dadurch zu erkennen, dass er sich den notwendigen Fleiß und die erforderlichen, nicht gewöhnlichen Kenntnisse zutraue; er muss daher den Mangel derselben vertreten.“

Aus dieser – zugegeben hölzernen – Regelung lässt sich ableiten, wen der Gesetzgeber als „Sachverständigen“ betrachtet. Der Paragraph gibt eine allgemeine Umschreibung und zählt verschiedene Beispiele auf. Der Wortlaut „zu einem Amte“ bedeutet das Bekenntnis zu bestimmten besonderen Fähigkeiten. Salopp formuliert kann sich in Österreich jeder als Sachverständiger bezeichnen, der über erhöhte Kenntnisse in einem Fachgebiet verfügt. Ihn trifft demnach keine Schadenersatzpflicht, wenn ein nach den Regeln der Wissenschaft, des Gewerbes oder Handwerks erarbeitetes Gutachten in der Folge wegen neuer Erkenntnisse nicht mehr standhält.


Stichwort: Dritthaftung
Generell lässt sich sagen, dass Sachverständige in die Haftung fallen, wenn ein Gutachten objektiv unrichtig ist und sie bei dessen Erstellung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgingen. Unter bestimmten Umständen haften sie laut ABGB § 1300 nicht nur gegenüber ihrem Auftraggeber, sondern auch gegenüber Dritten. Diesbezüglich sind primär der Auftrag sowie der vereinbarte Zweck des Immobiliengutachtens ausschlaggebend. Dritten Personen gegenüber haften Sachverständige, wenn sich aus dem Auftrag schließen lässt, dass ein Gutachten – eben – auch Dritten als Entscheidungsgrundlage dienen soll. Allerdings haften sie in diesem Fall nur für jene Schäden, die das unrichtige Gutachten hervorrief. Hat die dritte Person gegenüber dem Vertragspartner – meist der Immobilienverkäufer – eigene Ansprüche, ist die Haftung des Sachverständigen gegenüber dem Dritten ausgeschlossen.


„Gegen Belohnung“?
Unentgeltlich aktiv zu werden, schützt übrigens nicht. Denn gemäß § 1300 ABGB haften Sachverständige auch dann, wenn sie gegen Belohnung – worunter ein nicht selbstloses Tätigwerden verstanden wir – versehentlich einen nachteiligen Rat erteilen. Was bedeutet in diesem Kontext „nicht selbstlos“? Das ist dann der Fall, wenn der Rat zur Vorbereitung eines entgeltlichen Geschäftes gegeben wurde oder sich der Auskunftsgeber einen (wirtschaftlichen) Vorteil verschaffen will. Auch wenn die Rechtsberatung durch Berufs- oder Interessenvertretungen erfolgt, die in der Regel kostenlos ist, handeln diese nicht selbstlos, sondern im Interesse ihrer Mitglieder. Ein Rat erfolgt zudem nicht aus reiner Gefälligkeit, wenn er „im Zusammenhang mit einer von dritter Seite erwarteten Leistung gesetzt“ wurde; wenn etwa eine Provision für die Vermittlung eines Geschäftes in Aussicht gestellt wurde.

Sich das alles vor Augen führend, lautet die Gretchenfrage wohl, wie Sachverständige ihre Haftung minimieren können. Die Antwort ist simpel: Indem sie während der Befundaufnahme sämtliche die Immobilie betreffenden Aspekte erheben. Das zieht häufig detektivische (Klein-)Arbeit nach sich. So kann es, um Kontamination ausschließen zu können, erforderlich sein, langjährige Anrainer auszuforschen und mit ihnen zu sprechen.



       
Fazit

  • Um die Haftung zu minimieren, sind während der Befundaufnahme alle die Immobilie betreffenden Eckdaten akribisch genau zu erheben.
  • Sachverständige trifft keine Schadenersatzpflicht, wenn ein nach den Regeln der
    Wissenschaft erstelltes Gutachten wegen neuer Erkenntnisse der Wissenschaft nicht mehr
    standhält.
  • Sachverständige haften, wenn ein Immobiliengutachten objektiv unrichtig ist und sie bei dessen Erstellung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgingen.
  • Unter bestimmten Umständen haften Sachverständige auch gegenüber Dritten.
    Diesbezüglich sind der Auftrag sowie der vereinbarte Zweck des Gutachtens entscheidend.
  • Sachverständige haften auch dann, wenn sie gegen Belohnung – worunter ein nicht selbstloses Tätigwerden verstanden wird – versehentlich einen nachteiligen Rat erteilen.


Videokurs zum Thema
Details und weiterführende Informationen zu diesem Thema, beispielsweise über die strafrechtliche Verantwortlichkeit oder etwaige Versicherungen, erläutert der Referent Ing. Andreas Wollein im Video-Kurs: "Die Haftung von Gutachtern – wie schützen Sie sich?".




Zur Autorin

Claudia Aigner ist Chefredakteurin der „Österreichischen Immobilien Zeitung“ (OIZ). Seit 1998 ist die gebürtige Oberösterreicherin im Fachjournalismus tätig; konkret für Magazine im Bereich Werbung, Tourismus, Telekommunikation sowie Industrie. Nach einem „Abstecher“, der sie in die PR führte, bereitet sie seit elf Jahren Immobilienthemen – quer durch alle Assetklassen – redaktionell auf.