Die Wertfrage bei denkmalgeschützten Immobilien
14. Oktober 2024
Claudia Aigner
Immobilienwissen Österreich | Immobilienbewertung
Immobilienwissen Österreich | Immobilienbewertung
Foto „Haus Wittmann_klein“: Das denkmalgeschützte „Haus Wittmann“ im niederösterreichischen Grafenegg stand vor zwei Jahren zum Verkauf.
Credit: Romana Fürnkranz
Credit: Romana Fürnkranz
2023 feierte das österreichische Denkmalschutzgesetz sein Hundert-Jahr-Jubiläum. Wie wirken sich die Paragraphen bei betroffenen Objekten auf die Wertermittlung aus? Bedeuten sie Fluch oder Segen?
Alles andere als selten waren die Habsburger ihrer Zeit voraus: So schufen sie bereits anno 1850 mit der „k.k. Zentralkommission“ eine staatliche Einrichtung zum Schutz österreichischer Kulturgüter. Für eine wirkungsvolle Umsetzung fehlte jedoch lange die konkrete legistische Grundlage in Form eines Bundesgesetzes, das den Denkmalschutz nach einheitlichen Kriterien durch eine zuständige Behörde regelt.
Mit der Beschlussfassung des Denkmalschutzgesetzes am 25. September 1923 erhielt das Bundesdenkmalamt (BDA) diesen gesetzlichen Auftrag, nämlich das öffentliche Interesse an der Erhaltung des kulturellen Erbes Österreichs durchzusetzen. 101 Jahre später stehen hierzulande rund 38.000 unbewegliche Objekte unter Denkmalschutz, darunter etwa 23.300 Profanbauten wie Schlösser, Zinshäuser, Villen – wie das „Haus Wittmann“ in Grafenegg (siehe Foto) – oder sogenannte „Ensembles“. Das BDA ist laut Eigenangabe stets bemüht, mit allen Eigentümern tragfähige Lösungen zu finden, um einerseits das tradierte Erscheinungsbild einer betroffenen Immobilie zu bewahren und andererseits dem Wunsch nach Veränderung zur Optimierung der Nutzungsmöglichkeiten zu entsprechen.
Eigentümer in Pflichtkorsett geschnürt
Gut und schön, aber wie wirkt sich der Denkmalschutz auf die Immobilienbewertung besagter Profanbauten aus? Da in Österreich wie erwähnt rund 23.300 Objekte in diese Kategorie fallen, ist es wahrscheinlich, dass es dazu kommt, dass man sich als Gutachter in seiner Berufspraxis zumindest einmal mit dieser Fragestellung auseinandersetzen muss.
Als werteinschränkend gelten zweifelsohne die Pflichten, denen (neue) Eigentümer nachkommen müssen. Die haben es in sich. Sie reichen von der Erhaltungs- über die Anzeigepflicht bis hin zur Veräußerungsanzeige und zur Bewilligungspflicht sowie zur Meldepflicht von Zufallsfunden. Um beispielshaft einen dieser Punkte herauszuklauben: Die Erhaltungspflicht bedeutet, dass Eigentümer ihr unter Denkmalschutz stehendes Gebäude nicht zerstören dürfen. Es darf jedoch nicht nur nicht abgerissen werden, sondern es muss auch der Verfall verhindert werden. Wenn Maßnahmen zum Erhalt nötig sind, müssen diese zwingend ergriffen werden – sofern diese zumutbar und nur mit geringen Kosten verbunden sind.
Erhaltungspflicht verschärft
Eine seit dem 1. September 2024, also seit Kurzem, geltende Novelle des Denkmalschutzgesetzes sorgt hier sogar für eine Verschärfung. Diese „besondere Erhaltungspflicht“ soll dem „spekulativen Verfall“ den Garaus machen. Denn in der Vergangenheit sei in Einzelfällen die Rechtslage ausgenutzt worden, Denkmäler über lange Zeiträume verfallen zu lassen und dann über baubehördliche Abbruchaufträge den Abriss zu erwirken. Die Novelle soll hier gegensteuern. Sie soll das BDA in die Lage versetzen, gegen derartige Praktiken vorzugehen.
Generell lässt sich erst nach detaillierten Recherchen beurteilen, inwiefern der Denkmalschutz den Wert einer Immobilie beeinflusst. Abzuklären ist, was, welcher Teil, beziehungsweise ob das gesamte Objekt den Paragraphen unterliegt. Es gilt, die Bescheide der BDA hinsichtlich der Vorschriften und Auflagen zu durchleuchten. Daraus können die notwendigen, häufig extrem aufwendigen Erhaltungs-/ Restaurierungsarbeiten abgeleitet und die Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit eingeschätzt werden.
Dazu die Bürokratie...
Besonders gravierend sind – wie bereits ausgeführt – jene Fälle, bei denen ein Objekt wirtschaftlich betrachtet abbruchreif ist, aber aufgrund des Denkmalschutzes nicht abgerissen werden darf.
Liegenschaftseigentümer und Käufer unterschätzen anfallenden Aufwendungen respektive verursachten Ertragsminderungen meist deutlich. Dazu die Bürokratie: Das BDA muss jede bauliche Maßnahme bewilligen.
Doch, wo bezüglich Wertfestsetzung Schatten ist, ist auch Licht. Ganz viel Licht! Aspekte wie Repräsentativität von Objekten und deren Räumlichkeiten, der historische Background sowie sonstige Alleinstellungsmerkmale machen sie zu einem „nicht vermehrbaren Gut“ und wirken sich positiv aus. Primär ausländische Investoren blättern für besonders charakteristische, denkmalgeschützte Objekte in attraktiven Lagen durchaus auch im Jahr 2024 Liebhaberpreise auf den Tisch.
Fazit
In der Regel denkt man bei denkmalgeschützten Immobilien umgehend an die negativen wertbeeinflussenden Auswirkungen. Stichworte: Pflichtkorsett und Bürokratie. Eigentümerwechsel müssen dem BDA gemeldet werden. Andererseits können Schlösser, Gutshäuser, Villen & Co als „nicht vermehrbares Gut“ die Herzen von Interessenten erobern, die bereit sind, weit über dem Marktwert liegende Liebhaberpreise zu bezahlen. Bröckelnde Fassaden oder das Wissen über die Notwendigkeit einer Heizungsumrüstung schrecken sie nicht ab.
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Zur Autorin
Claudia Aigner ist Chefredakteurin der „Österreichischen Immobilien Zeitung“ (OIZ). Seit 1998 ist die gebürtige Oberösterreicherin im Fachjournalismus tätig; konkret für Magazine im Bereich Werbung, Tourismus, Telekommunikation sowie Industrie. Nach einem „Abstecher“, der sie in die PR führte, bereitet sie seit elf Jahren Immobilienthemen – quer durch alle Assetklassen – redaktionell auf.