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Neue Epoche für Wiener Zinshausmarkt


Foto „Reichsratsstraße resized“: Dieses stolze Zinshaus im ersten Bezirk wechselte kürzlich für 40 Millionen Euro den Besitzer.  Credit: Andreas Wallner

Nach Jahren hektischer Betriebsamkeit tritt die Assetklasse in eine Stabilisierungs- und Bereinigungsphase.


Ende März gab die JP Immobilien Gruppe bekannt, für die Erweiterung ihres Zinshaus-Portfolios 40 Millionen Euro in die Hand genommen zu haben. Es ging um den Kauf einer aus dem Jahr 1887 stammenden Liegenschaft in der Reichsratsstraße in der Nähe des Wiener Rathauses. Das freistehende Gebäude besticht unter anderem durch seinen für das Viertel typischen Arkadengang mit Kreuzrippengewölbe.

„Wien hat großes Entwicklungspotential und wir sind überzeugt davon, dass die Wiener Zinshäuser werthaltige Investitionen sind, die ihre Preise auch in wirtschaftlich turbulenten Zeiten halten“, kommentierte Reza Akhavan, geschäftsführender Gesellschafter von JP Immobilien, den Deal.


Verminderte Marktdynamik
Mit „wirtschaftlich turbulenten Zeiten“ spricht Akhavan vielen Branchenplayern aus der Seele. Dieses Faktum spiegelt auch der kürzlich erschienene „Wiener Zinshaus-Marktbericht“ von Otto Immobilien wider. Demzufolge veränderte sich das Pflaster seit dem vorigen Herbst, analog zum allgemeinen Trend, stark. Philipp Maisel, Teamleiter Zinshaus bei einer Otto Immobilien, brachte es bei einer Pressekonferenz auf den Punkt: „Nach Jahren der hektischen Betriebsamkeit ist eine Stabilisierungs- und Bereinigungsphase eingeläutet.“

Denn 2022 kam es nach starken ersten sechs Monaten in der zweiten Jahreshälfte zu einem Abflauen der Marktdynamik – im Vergleich zu anderen Assetklassen allerdings in geringerem Ausmaß. Bestandshalter begannen, befeuert durch die deutlich gestiegenen Zinskosten innerhalb ihres Immobilienportfolios, häufiger als bisher ihre Projekte auf dem Markt zu platzieren. „Dadurch stieg das Angebot, während die Nachfrage einerseits durch die erhöhte Unsicherheit, andererseits durch die stark gestiegenen Finanzierungskosten gebremst wurde“, erklärte Maisel. Die verminderte Marktdynamik könnte nach seiner Einschätzung noch bis Jahresende dauern. Für 2024 erwartet der Zinshausexperte aus heutiger Sicht einen leichten Aufschwung.

 

Sinkende Preise, steigende Renditen

Doch blicken wir erneut nach 2022 zurück: In besagtem Jahr gingen laut dem Marktbericht von Otto Immobilien in ganz Wien 483 Verkäufe von Gründerzeit-Zinshäusern über die Bühne. Das bedeutete gegenüber 2021 einen Rückgang von 28 Prozent. Das gesamte Transaktionsvolumen, also Asset Deals und Share Deals zusammen, lag im Vorjahr bei knapp über zwei Milliarden Euro. 2021 wurde mit 2,4 Milliarden Euro noch ein bisheriges Rekordergebnis erzielt. „Das Transaktionsvolumen der Asset Deals lag 2022 mit insgesamt rund 1,7 Milliarden Euro leicht unter dem Wert von 2021. Wir erwarten aber noch eine größere Anzahl an Nachläufen. Mit diesen noch nicht verbücherten Transaktionen könnte ein Volumen knapp unter dem Wert erreicht werden“, spezifizierte Maisel.

Wie entwickelten sich vor diesem Hintergrund die Preise der Wiener Gründerzeit-Zinshäuser? Sie befinden sich seit Herbst 2022 im Sinkflug. Am stärksten reduzierten sie sich mit 15 Prozent im zweiten, dritten, zehnten und zwanzigsten Bezirk. Maisel erläuterte bei der Pressekonferenz: „Auch in den Bezirken elf, zwölf und 18 gingen die Einstiegspreise zurück. Hier beobachteten wir Verluste zwischen zehn Prozent und elf Prozent, wobei Gründerzeit-Zinshäuser in einem durchschnittlichen Zustand nicht unter 2.035 Euro pro Quadratmeter verkauft werden.“ Weil die Preise sanken, zogen die Renditen an. Sie betrugen zwischen zwei und drei Prozent. Die einzige Ausnahme bildete der erste Bezirk, wo der Wert unter zwei Prozent lag.


Dominierende Unternehmen

Angetrieben wurde das Marktgeschehen klar von Unternehmen. Von ihnen gingen 81 Prozent aller Käufe sowie 43 Prozent aller Verkäufe aus. So hält die eingangs mit der Akquisition in der Reichsratsstraße erwähnte JP Immobilien Gruppe derzeit rund 120 Zinshäuser im Eigentum.

Ein weiterer Player ist Grossmann + Kaswurm Immobilien, das alleine im heurigen Jänner sieben Wiener Zinshäuser erwarb. „Aktuell bietet der Markt spannende Einkaufsmöglichkeiten – und das nicht nur für Entwickler“, formuliert Geschäftsführer Benedikt Grossmann seine Sicht der Dinge. Gemäß ihm kommen nun Unternehmen und Developer zum Zug, die in den letzten Jahren aufgrund des hitzigen Umfelds wenig Chancen hatten, in ein gut entwickeltes Zinshaus zu investieren. Co-Geschäftsführer Peter Kaswurm führt aus: „Jetzt trennt sich die Spreu vom Weizen: Entwickler, die flexibel agieren und jahrelange Erfahrung haben, können sich an die neue Käuferstruktur anpassen. Diese werden daher weiterhin bestehen und erfolgreich sein.“




       
Fazit


Bei Wiener Gründerzeit-Zinshäusern handelt es sich um ein nicht vermehrbares Gut. Dass der Bestand sinkt, liegt auf der Hand. Derzeit zählt er laut Otto Immobilien 13.607 Liegenschaften, was einem Rückgang von 12,4 Prozent im Vergleich zum Jahr 2009 entspricht. Hauptgrund dafür bildet die Begründung von Wohnungseigentum.

Abrisse sind hingegen relativ selten, was auf ihre bauliche Qualität und Adaptierbarkeit zurückzuführen ist. Dem allgemeinen Immobilienbranchentrend folgend, flaute das Marktgeschehen seit Mitte 2022 ab, sodass Zinshäuser aktuell wieder als langfristiges Investment gelten. Und Langfristigkeit entspricht dieser Assetklasse, die das historische Stadtbild Wiens prägt.



Zur Autorin
Claudia Aigner ist Chefredakteurin der „Österreichischen Immobilien Zeitung“ (OIZ). Seit 1998 ist die gebürtige Oberösterreicherin im Fachjournalismus tätig; konkret für Magazine im Bereich Werbung, Tourismus, Telekommunikation sowie Industrie. Nach einem „Abstecher“, der sie in die PR führte, bereitet sie seit elf Jahren Immobilienthemen – quer durch alle Assetklassen – redaktionell auf.