Unser gesamtes Angebot gilt ausschließlich für Unternehmer (KEINE Verbraucher im Sinne des KSchG)

Wohnmietmarkt unter geänderten Vorzeichen


Wenn nicht noch alle Stricke reißen, beschließt der Nationalrat am 1. März 2023 das Bestellerprinzip. Die Konsequenzen sind vielschichtig.

Oft nimmt Österreich Anleihe beim großen Nachbarn Deutschland. Dort, jenseits der Grenze, gilt seit 1. Juni 2015 das Bestellerprinzip. Nach langem Hin und Her mit diversen Verzögerungen soll es hierzulande am 23. Februar 2023 im Bautenausschuss inhaltlich behandelt und am 1. März 2023 im Nationalrat beschlossen werden. Inkrafttreten soll das Bestellerprinzip schließlich am 1. Juli 2023. Im Wesentlichen geht es bei dem Gesetzestext darum, dass bei der Vermittlung von Wohnimmobilien künftig diejenige Person den Makler bezahlt, die ihn beauftragt hat.

Wie sich die Paragraphen im Wortlaut gestalten – was also im Detail in Kürze beschlossen wird –, steht noch nicht fest. Bei der Pressekonferenz im Justizministerium am 22. März 2022, bei der Regierungsvertreter die Novelle des Maklergesetzes präsentierten, hieß es jedenfalls, dass mit dem Bestellerprinzip eine jahrzehntelange Ungerechtigkeit ausgemerzt werden soll. Ein umfassender und strenger Umgehungsschutz werde Teil des Gesetzes sein. „Mieter sollen nach Abschaffung der Maklerprovision nicht stattdessen über Umwege trotzdem Zahlungen beim Vertragsabschluss leisten müssen. Zudem muss die zeitliche Abfolge von Vertragsabschlüssen transparent dokumentiert werden. So wird doppeltes Abkassieren und das Verheimlichen von Auftragsverhältnissen verhindert. Bei Verstößen droht eine Verwaltungsstrafe von bis zu 3.600 Euro“, so die Vertreter von ÖVP und den Grünen bei der Pressekonferenz.

Die rot-weiß-rote Immobilienbranche ist seither im Aufruhr. Der Österreichische Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) warnt etwa, dass das Bestellerprinzip die Maxime der Doppelmaklertätigkeit in der Miete de facto abschafft. Die Besonderheit der Dienstleistung des Maklers, beide Seiten als Vermittler zusammenzuführen und jeweils zu beraten, werde kraft Gesetzes beendet. Ohne die Honorierung wird die Dienstleistung in dieser Form nicht mehr angeboten werden können.


Nur Verlierer?
„Schon die Einführung des Bestellerprinzips in Deutschland 2015 zeigte, dass dieses Gesetzesvorhaben Verlierer auf allen Seiten schafft“, kritisiert ÖVI-Präsident Georg Flödl. Mieter werden sowohl weniger Angebot als auch geringeres Service vorfinden. So ging jenseits der Grenze das sichtbare Angebot auf den Online-Immobilienplattformen bei der Einführung des Bestellerprinzips um ein Drittel zurück. Ein Phänomen, das vor allem Menschen trifft, die neu in eine Stadt ziehen, da sie über keine informellen Netzwerke verfügen. Das Beispiel Deutschland belege, dass Gruppenbesichtigungen zu festgeschriebenen Zeiten mit bis auf die Gehsteige reichende Warteschlangen von Interessenten Usus werden.

Vermieter sehen sich laut dem ÖVI wiederum damit konfrontiert, die gesamten Dienstleistungskosten, sowohl für den Suchenden als auch für sich selbst, schultern zu müssen. Darüber hinaus zeigen die Auswirkungen in Deutschland, dass das Bestellerprinzip zu einem massiven Rückgang an Maklerunternehmen und an Arbeitsplätzen in diesem Bereich führen wird. Flödl erläutert: „Mit diesem Gesetzesschritt verlieren wie gesagt alle Seiten. Die gewünschte Entlastung in der Miete könnte eher geschaffen werden, wenn der soziale Wohnbau, der sechzig Prozent der Mietverhältnisse in Österreich abdeckt, treffsicher ausgestaltet wird und jenen zur Verfügung steht, die diesen wirklich brauchen.“

 

Umgehungsmöglichkeiten am Pranger

Derweil begrüßt die Arbeiterkammer die Novelle des Maklergesetzes. Jedoch müssen alle Umgehungsmöglichkeiten des Bestellerprinzips ausgeräumt werden, sodass die Mieter tatsächlich entlastet werden. In Deutschland bestehe für Makler bei der Vermittlung von Mietverträgen prinzipiell ein Provisionsverbot gegenüber Suchenden – mit einer bestimmten Ausnahme: Wenn die Makler erst nach dem Auftrag der Wohnungssuchenden die dann vermittelte Bleibe gefunden haben. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf sah das gemäß der Arbeiterkammer für Österreich so nicht vor. Es wären noch Umgehungsmöglichkeiten gegeben.

Und welche Position beziehen die Makler selbst? Bernhard Reikersdorfer, Managing Director von Re/Max Austria, moniert, dass der Einbau von Vorkehrungen, um Umgehungen zu vermeiden, nicht durchdacht sei. Und weiter: „Vermieter werden vermehrt den bestehenden Mieter mit der Suche eines Nachmieters beauftragen. Das kann für neue Mieter bedeuten: Unerlaubte Ablösen, fehlende rechtliche Beratung und die Ungewissheit, welche Rechte und Pflichten sie wirklich haben.“ Jedenfalls werde Wohnen durch das Bestellerprinzip für Mieter nicht billiger, denn die entscheidenden Faktoren seien die laufenden Kosten. Reikersdorfer erläutert weiters: „Zudem werden die von einem Makler gewährleistete professionelle Aufbereitung, wie Dokumentenbeschaffung und Dokumentation, Überprüfung des Mietpreises auf Legitimität sowie Marktgerechtigkeit oftmals wegbleiben.“ Vermieter werden aus Kostengründen vermehrt – häufig ohne Fachkenntnisse und Gewährleistung – privat vermieten. Damit sind Rechtsstreitigkeiten programmiert. Zahlreiche Mieter werden künftig vor Gericht ziehen müssen, um allfällige Schadenersatzansprüche geltend zu machen beziehungsweise wenn aus ihrer Sicht gegen das Bestellerprinzip verstoßen wurde.



       
Fazit

Aktuell ist wie erwähnt noch nicht klar, wie die Paragraphen, die am 1. März 2023 beschlossen werden, im Detail aussehen. Auch die Dauer der Übergangsfrist – ursprünglich war von sechs Monaten die Rede – könnte sind ändern. Status quo wird das Bestellerprinzip sowohl für die heimische Immobilienbranche als auch für die Mieter eine Überraschung, und zwar teils eine böse.



Zur Autorin
Claudia Aigner ist Chefredakteurin der „Österreichischen Immobilien Zeitung“ (OIZ). Seit 1998 ist die gebürtige Oberösterreicherin im Fachjournalismus tätig; konkret für Magazine im Bereich Werbung, Tourismus, Telekommunikation sowie Industrie. Nach einem „Abstecher“, der sie in die PR führte, bereitet sie seit elf Jahren Immobilienthemen – quer durch alle Assetklassen – redaktionell auf.